Dazwischensein 9
Cana Bilir-Meier
(Möglichkeitsraum)
Cana Bilir-Meier
Talya Feldman
Yulia Lokshina
Initiative in Remembrance of Yaya Jabbi
(Filmprogramm)
Ausstellung von 15. November bis 12. Dezember 2024
Programm
Eröffnung mit Performanceprogramm
Donnerstag, 14. November 2024, 18 bis 21 Uhr
19 bis 20 Uhr
Begrüßung und Einführung in die Ausstellung, Benita Meißner
Performatives Programm:
Cana Bilir-Meier (Einführung)
İlayda Akbaba (Spoken Word)
Serdar Yolcu (Tanz)
Sezgin İnceel (Gitarre, Gesang) & Sasha Agranov (Cello)
Nihan Devecioğlu (Gesang) & Sasha Agranov (Cello)
Tanzworkshop mit Serdar Yolcu
Mittwoch, 20. November 2024, 16 bis 17.30 Uhr
Cana Bilir-Meier im Gespräch mit Serdar Yolcu, 18 Uhr
Künstleringespräch
Cana Bilir-Meier im Gespräch mit Simon Biallowons
Dienstag, 26. November 2024, 19 Uhr
Abendöffnung
Donnerstag, 12. Dezember 2024, bis 20 Uhr
Im Jahr 2024 setzt ‚Dazwischensein’ den gedanklichen Überbau für neun kurze, künstlerische Einzelpräsentationen, die das Thema in seinen verschiedenen Aspekten untersuchen. Dazwischensein kann ein Gedanke, Zustand oder auch ein Gefühl sein. Wir wollen Dazwischensein als Möglichkeit begreifen, mehr zu sehen und verschiedene Sichtweisen gleichzeitig in sich zu erfassen.
Cana Bilir-Meier stellt das vermeintlich Normale in Frage und schafft mit ihrer Arbeit einen frischen Blick auf festgefahrene Gewohnheiten. So ist ihre erste künstlerische Handlung im DG Kunstraum den Möglichkeitsraum und den Diskursraum zu tauschen. Mittels eines Stempels kreiert sie eine großformatige Wandarbeit, die auf dem Symbol der Gemeinschaftsstruktur alevitischer Familien basiert, aber weit darüber hinaus erfahrbar macht, wie wir als Individuen über Familien, Freund*innen mit so vielen Menschen in Beziehung sind. In ihrer Bespielung des Möglichkeitsraumes erinnert sie das türkische Theaterstück ‚Düşler Ülkesi‘ (Land der Träume), welches am Theater der Jugend in München 1982 uraufgeführt wurde. Im Stück werden Alltagserfahrungen, Hoffnungen und Wünsche von migrantisierten Menschen in Deutschland betrachtet. Die Mutter der Künstlerin, Zühal Bilir-Meier, gründete in den 1980er Jahren gemeinsam mit Erman Okay, dem Autor des Theaterstückes, das Türkische Theater München. Die Aufführungen von ‚Düşler Ülkesi‘ fanden großen Anklang und das Stück wurde weit über die Grenzen Münchens gezeigt und besprochen.
Die Arbeit Cana Bilir-Meiers mit Bild- und Archivmaterialien aus familiärem Bestand ist ein Erinnern-Wollen, das zugleich den Weg, die Arbeit an der Erinnerung und den Umgang mit ihr offenlegt. Wie können wir unsere eigenen Geschichten erzählen und weiterschreiben durch Gedichte, Körperbewegungen, Rituale, Tanz und Musik? Lässt sich Erinnerung im Körper speichern und wie können wir diese an die nächsten Generationen weitergeben? Wie auch im Biennale Beitrag ‚Monument eines unbekannten Menschen‘ von Ersan Mondtag geht es um die Offenlegung der Wunden in der Vergangenheit ihrer Familien und die Frage, wie sich Versöhnung erreichen lässt. Auch Bilir-Meier involviert andere Menschen, mit ähnlichen Familiengeschichten, um die Installation zu aktivieren. Im Filmprogramm wird auf Anregung der Künstlerin ‚The Life of Yaya Jabbi’ gezeigt, ein Film der in Form von animierten Zeichnungen das Leben eines jungen Schwarzen Mannes erzählt, der durch Polizeigewalt in Hamburg umgekommen ist.
Auf Einladung der Künstlerin werden zur Eröffnung Münchner Akteuer*innen Sasha Agranov, İlayda Akbaba, Nihan Devecioğlu, Sezgin İnceel und Serdar Yolcu in unterschiedlichen Performances mittels Spoken Word, Tanz, Musik und Sound ihre Perspektiven auf das Erinnern, Resilienz und das Nicht-Vergessen-Lassens mit dem Publikum teilen.
Cana Bilir-Meier (*1986 in München) lebt und arbeitet in München und Wien. Sie studierte Kunst und Digitale Medien sowie Film und Kunstpädagogik an der Akademie der bildenden Künste in Wien und an der Sabancı-Universität in Istanbul. Sie arbeitet als Filmemacherin und Künstlerin sowie in Kunst- und Kulturvermittlungsprojekten. Ihre filmischen, performativen und textbasierten Arbeiten bewegen sich an den Schnittstellen zwischen Archivarbeit, Textproduktion, historischer Forschung, zeitgenössischer Medienreflexivität und Archäologie. Sie ist Mitbegründerin der Initiative zum Gedenken an Semra Ertan und Co-Herausgeberin des Gedichtbandes „Mein Name ist Ausländer – Benim Adım Yabancı“. 2021 war sie Vertretungsprofessorin für Kunstpädagogik an der Akademie der Bildenden Künste München.
Gesprächspartner: Simon Biallowons (*1984) ist studierter Philosoph, Journalist und Buchautor. Als Reporter war er weltweit tätig, seine Bücher beschäftigen sich in erster Linie mit philosophischen und religiös-spirituellen Themen. Er arbeitete als Korrespondent in Rom, lebte im Nahen Osten und berichtete als Reporter für verschiedene Medien aus vielen Ländern. Biallowons ist Verfasser mehrerer Bestseller und derzeit Geschäftsführer und Cheflektor des Herder Verlages.
Talya Feldman (*1990, Denver, Colorado) ist eine zeitbasierte Medienkünstlerin aus Denver, Colorado. Sie erwarb einen BFA an der School of the Art Institute of Chicago und ist derzeit Doktorandin an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Sie hat in Chicago, New York, Hamburg, Halle (Saale), Frankfurt und Berlin ausgestellt. Feldman wurde 2021 mit dem DAGESH-Kunstpreis für ihre Klanginstallation ‚The Violence We Have Witnessed Carries a Weight on Our Hearts‘ im Jüdischen Museum in Berlin ausgezeichnet und hat für ihre Projekte gegen rechten Terror in Zusammenarbeit mit aktivistischen und forschungsbasierten Netzwerken weltweite Anerkennung erhalten.
Yulia Lokshina (*1986 in Moskau, Russland) studierte Dokumentarfilmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Ihre Film- und Videoarbeiten beschäftigen sich mit der Interferenz sozialer Umgebungen und ihrer Protagonist*innen. Ihr Abschlussfilm – gleichsam künstlerisches wie politisches Projekt – ‚Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit‘ befasst sich mit Leiharbeit und Arbeitsmigration aus dem europäischen Osten in Deutschland, Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe und des Klassenbewusstseins und wurde mit dem Max Ophüls Preis für den besten Dokumentarfilm 2020 ausgezeichnet. Ihre Arbeit fragt kritisch: Wie sprechen wir über Dinge, die uns angehen? Wer trägt für was Verantwortung? Was wird zu einem Thema? Sie arbeitet im Grenzbereich von Film und Wissenschaft am Forum Internationale Wissenschaft Bonn, sowie in offenen Formationen mit befreundeten Künstler*innen.
Initiative in Remembrance of Yaya Jabbi: Die Initiative in Gedenken an Yaya Jabbi setzt sich für eine lückenlose Aufklärung der Umstände seines Todes ein und fordert aktives Erinnern, öffentliche Wahrnehmung und Anerkennung des Todes von Yaya Jabbi ein und setzt sich zusammen aus Freund*innen und Familie von Yaya Jabbi und Aktivist*innen aus verschiedenen antirassistischen und antifaschistischen Zusammenhängen.
Dazwischensein ist ein Projekt in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München, dem Urner Institut Kulturen der Alpen und der Stiftung Lucerna. Mit freundlicher Unterstützung der Curt Wills-Stiftung und der Förderung des Vereins Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V., München. Das Projekt wurde ermöglicht durch das Förderprogramm BBK – Verbindungslinien aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst. Die Ausstellungsarchitektur wird in Kooperation mit der treibgut Materialinitiative erstellt.