Ruth Geiersberger untersucht, was bleibt, wenn man geht. Ein beweglicher Beichtstuhl, die Kirche St. Paul, ein Laden für Begräbniskultur, der DG Kunstraum und das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst sind die Orte, an denen – durchaus auch heiter – über das Memento mori sinniert wird.
Installation in St. Paul an der Theresienwiese St.-Pauls-Platz 11, 80336 München
begehbar vom 6. bis 27. November zu den Kirchenöffnungszeiten konzertante Andachten ebenda zur Tatort-Zeit um 20.15 Uhr
Idee, Konzept, Spiel, Stimme, Verrichtungen: Ruth Geiersberger Musik: Maria Reiter (Akkordeon), Evi Keglmaier (Bratsche, Stimme), Michel Watzinger (Hackbrett), Peter Gerhartz (Orgel) Film & Foto: Severin Vogl Textauswahl und dramaturgische Beratung: Andrea Kaufmann Beichtstuhlherrichterin: Kathi Schmidt Helfer: Simon Spehr Grafikdesign: Beate List PR: Pfau PR
Sonntag, 6. November und Sonntag, 27. November Diskurs über Stille und Jenseitiges Gras von hinten gelesen heißt Sarg
Performatives Gespräch im DG Kunstraum
Moderation: Ruth Geiersberger mit musikalischen Störungen Sonntag, 30. Oktober 2022, 11 Uhr DG Kunstraum, Finkenstr. 4, 80333 München
Die Bedeutung sakraler Räume mit Dr. Sylvia Schoske (Ägyptologin) und Rainer Hepler (Pfarrer)
Kunst ermuntert dazu, sich von den alltäglichen Dingen zu lösen, den Blick für neue Horizonte zu eröffnen und schweifen zu lassen.
Im Moment des Staunens scheint die Zeit eingefroren und der Augenblick wird mit immenser Intensität wahrgenommen. Wir staunen über alles, was wir als unerwartetes Geschehen erleben dürfen, besonders über das, was wir erst in existenziellen Grenzerfahrungen erkennen können. Wir staunen über das Geschenk des Lebens.
In der heutigen Gesellschaft wird das Staunen von der Wissenschaftsgläubigkeit stark verdrängt und schnelle Antworten der Suchmaschinen überlagern persönliche Wahrnehmungen und Eindrücke. Kunstwerke lassen sich nicht einfach über Suchbegriffe entzaubern oder einem Interpreten über ein „shazamen“ zuordnen. Die Betrachter*innen sind in der Ausstellung auf ihre eigenen Eindrücke zurückgeworfen und nähern sich dabei aktuellen Diskussionen an, die von den Kunstschaffenden aufgegriffen wurden.
Die Ausstellung ist an den zwei Ausstellungsorten Katholische Akademie in Bayern sowie im DG Kunstraum zu sehen.
Programm im DG Kunstraum Lange Nacht der Münchner Museen Sa, 15. Oktober 2022, 18 bis 1 Uhr
Führungen mit der Kuratorin Di, 25. Oktober 2022, 18.30 Uhr Do, 10. November 2022, 18.30 Uhr Di, 22. November 2022, 18.30 Uhr
Performancekunst ist für manche Menschen, die sich für zeitgenössische Kunst interessieren, schwer zugänglich. Marina Abramović beweist mit der Performance ‚The Artist Is Present‘, die im New Yorker MoMA Tausende von Besucher*innen anzog, dass das auch ganz anders sein kann. Und so liest sich auch ihre Autobiografie: Es ist als säße sie beim Erzählen ihrer Geschichte direkt vor der lesenden Person. Im Rahmen der Finissage leiht die Münchner Performancekünstlerin Ruth Geiersberger, auf den ersten Blick scheinbar das Gegenteil von Marina Abramović, der Performance-Ikone ihre Stimme.
Was für eine Open Art 2022…wir freuen uns über einen fulminantes Eröffnungswochenende von ‚U Can Take‘!
Neben dem Videoprogramm unserer Express-Ausstellung wurde der DG Kunstraum zur Bühne für unsere internationalen Performer*innen umfunktioniert.
Fotos: Gerald von Foris
Abbildungen: Haveit Felix Helmut Wagner Lisa Stertz Gabi Blum Esther Abdelghani mit Diana Wöhrl Lars Koepsels ‚You Can Take’ Max Weisthoff
Felix Helmut Wagner, In Search of Humanity, Fr. 9.9.2022
Für die Performance ‚In Search of Humanity‘ schlüpft der Künstler in ein Nikolaus-Kostüm, einem der bekanntesten Heiligen, der sein ererbtes Vermögen zu Lebzeiten unter den Notleidenden verteilte. In einer unbekannten Sprache wendet er sich an sein Publikum und vermittelt sich den Anwesenden trotzdem sehr eindrücklich. Laut Wagner versucht er auf absurde Weise Logik in den für uns manchmal unverständlichen Handlungen von Menschen zu finden. Er nutzt dafür neben Grafiken und Objekten auch ein Plakat, dass ein totes Rind im Schlachthof zeigt. Die Art und und Weise wie der Mensch mit anderen Lebewesen umgeht bringt die Performance Figur in Rage. Hat der Mensch den Auftrag die Erde Untertan zu machen falsch verstanden, da er auch nur ein Teil des Ganzen ist? Damit die komplexen Thematiken nicht nur über Gebärden und Bilder verständlich werden, nutzt der Künstler stellenweise einen grünen Übersetzer-Kopf, der die fremde Sprache für die Zuhörer*innen ins Deutsche und Englische übersetzt.
Max Weisthoff, Tin Omen, Fr. 9.9.2022
Das Video enthält sensible Inhalte.
Max Weisthoff sucht in ‚Tin Omen‘ (Song der Industrial-Band Skinny Puppy, das auf das Massaker auf dem Tiananmen Platz 1989 anspielt) eine situative Überlagerung von Mensch, Tier und Maschine im Raum, forscht nach dem Spannungsverhältnis zwischen körperlicher Gegenwart, Deprivation, wechselseitiger Übergriffigkeit und queerer Intimität. Der Performer ist nackt und trotzdem nicht zu erkennen: Eine genähte Hundemaske aus Echtfell deformiert den Kopf, ein Buttplug mit angesetzter Fellschwanz penetriert und extrudiert den Körper gleichermaßen von hinten. Die fetischaffine Alienation ist körperlich spürbar und verunsichert: Kein Augenpaar, das direkten Augenkontakt zuließe, keine echte Mimik. Auch die Körperhaltung, oft kauernd oder stark zentriert, und die langsamen, überdehnten zeitlichen Abläufe und Bewegungen verweigern sich dem Bedürfnis nach Greifbarkeit. Nach und nach erweitern skulpturale Elemente das Spiel: Dominant ist die Kette aus tierischen Oberschenkelknochen, die am Boden liegend den Raum als Diagonale kreuzt. Ein Ende hängt an einem Kofferobjekt, das einen unübersichtlichen Technikpark beheimatet; das andere Ende reicht zu einem Beamer, der hochkant eine Videoloop projiziert. Der nackte Körper ist hier abermals als technisches Bild präsent, wenn auch mit einer Fuchsmaske und schwarz-weiß gefilmt. In einer nächtlichen Außenszene reibt und stößt das Mischwesen, von hinten gefilmt, wiederholt ein tonnenförmiges Objekt aus blankem Stahlblech, im Hintergrund sind permanentes Grillenzirpen und ein in der Ferne vorbeifahrendes Auto hörbar. Aus der beinahe zärtlichen Reibung am Metall wird vehementes Stoßen: Fleisch auf Metall, irgendwo zwischen Erotik und Gewaltakt, dumpfes Poltern ist hörbar. Ausgehend von dieser Sound- und Bildkulisse entsteht durch eine komplexe Anordnung unterschiedlicher Soundeffekte im Koffer nach und nach ein rauschender Geräuschteppich – „Noise“. Ein Paar mit Sensoren versehene Lederhandschuhe bildet ein berührungsempfindliches Interface: Die einzelnen Knochen am Boden kommen ratternd in Bewegung, vibrieren und zerren an der Kette. Das Rauschen wird zunehmend lauter, die Knochen tanzen.
Esther Abdelghani mit Diana Wöhrl, Can You Take?, Sa. 10.9.2022
Esther Abdelghani und Diana Wöhrl nutzen für ihre Performance aufgehängte Gummibänder, die in Farbe und Anmutung an die Worte ‚You Can Take‘ in übergroßer Schrift von Lars Koepsel auf der gegenüberliegenden Wand erinnern. Die Performerinnen bewegen sich mit und in den bunten Bändern, wodurch ein spielerischer Umgang mit der Schrift entsteht, sie wird aufgelöst und neu geschrieben – oder kämpfen sie mit ihr? Mal ist es ein tänzerisches Spiel und der Körper dirigiert die Bänder, mal drückt die Kraft des Gummis den Körper an die Wand. Die Bänder stellen nicht nur formal, sondern auch inhaltlich eine Kommunikation zwischen den Körpern und Thematik her und reagieren auf die Wandarbeit. Im Laufe der Performance nehmen die Verschlingungen und Verdrehungen zu und die Bewegung wird in ihrem Aktionsradius gehemmt. Sie sind nun Gefangene ihres eigenen Spiels. Wie frei kann der Geist unabhängig vom Körper sein, wenn beide doch eine untrennbare Einheit bilden? Unser biologischer Körper als Organismus erzeugt durch chemische und elektrische Funktionsweisen unsere Wahrnehmung und inneres Erleben. Körperliche Erfahrungen prägen unsere Persönlichkeit, körperliche Unfreiheit kann großes Leid herbeiführen. Sich einen freien Geist zu bewahren, vor allem in Situationen der Unterdrückung, ist eine der stärksten menschlichen Eigenschaften, so Abdelghani.
Haveit, Baby Blues, Sa. 10.9.2022
Die vier Künstlerinnen, Alketa Sylaj, Hana Qena, Vesa Qena und Arbërore Sylaj, stehen regungslos vor vier Einkaufswägen, die leere Wassergläser enthalten. Nach einer kleinen Weile greifen die Frauen, eine um die andere, die Griffe der Einkaufswägen und schieben diese sanft vorwärts und rückwärts. Die Art der Bewegung erinnert an ein beruhigendes Wiegen von Säuglingen im Kinderwagen. Diese Bewegung wird abrupt von einem gefährlichen Hin-und Herstoßen der Einkaufswägen abgelöst. Eine davor nicht dagewesene Aggressivität entlädt sich. Die leeren Gläser werden durcheinandergeschleudert und zerbrechen mit großem Getöse. Die Künstlerinnen beruhigen sich erst, als auch das letzte Glas zerbrochen ist. Haveit spielt mit den tradierten Geschlechterrollen: sie wechseln von einer sorgenden, mütterlichen Bewegung zu einem Gestus, der ganz im Gegensatz dazu steht und nicht weiblich konnotiert ist.
Lisa Stertz, Assemble – A Whirling Perfomance, So. 11.9.2022
Lisa Stertz ist Performancekünstlerin und Tänzerin. Ihr Interesse an bewegungsbasierten Praktiken ließ sie zuletzt eine Ausbildung zur Derwisch-Wirbellehrerin absolvieren, womit sie ihr Wissen und ihre Tätigkeitsfelder bereicherte. Im DG Kunstraum bewegt sie sich mit ”assemble” in den bereits am Rande des Ausstellungsraums positionierten Leinwänden von Gabi Blum wie vor einer dreidimensionalen Bühne. Sie integriert die vorgefundene Architektur spielerisch in ihre Choreografie. Ihre Drehungen und Bewegungen richtet sie an einem Musikstück aus, welches für sie mit losem Bezug auf den Inspirationssong zu Koespels Wandmalerei (Rihannon Giddens – At The Purchaser’s Option) komponiert wurde. Somit verwebt ihre Performance verschiedene Inhaltspunkte der Ausstellung und ihr Körper wird im wahrsten Sinne des Wortes zum Dreh- und Angelpunkt im Raum.
Gabi Blum, Interieur mit/ohne Frau in Rot, So 11.9.2022
Gabi Blum interpretiert im Ausstellungsraum ein Gemälde von Félix Vallotton aus dem Jahr 1903. Die Künstlerin entwickelte dafür eine raumfüllende Installation aus Leinwänden und Objekten, die eine ungefähre Tiefe von 5 Metern erreicht. Das ausgewählte Werk trägt den Titel „Interieur mit/ohne Frau in Rot“ und zeigt den fast voyeuristischen Blick durch mondän eingerichtete Räume, bis zu einer Art Schlafraum mit gelber Wand. Im Zentrum des Bildes steht eine Frau in rotem Kleid, die von hinten zu sehen ist und die wiederum in die nächsten zwei Räume blickt. Live vor Publikum baut Gabi Blum die Installation auf, während ihre Videokamera den finalen Bildausschnitt schon mit aufzeichnet und auf einen Monitor überträgt. Die Kuratorin Benita Meißner verliest im Auftrag der Künstlerin zwei Texte zum Jahr 1903, die zum einen etwas über die Situation des Malers Vallotton erzählen und zum anderen über die Hutnadelvorfälle, die im gleichen Jahr weltweit für Furore sorgten. Vallotton hatte durch seine Heirat gesellschaftlichen Aufstieg erfahren und sich in private Räume zurückgezogen, wo er nun häufiger seine Frau Gabrielle malte, während weltweit Frauen begannen sich alleine in öffentlichen Räumen zu bewegen und sich gegen Übergriffe von Männern mit ihren Hutnadeln wehrten. Vielerorts wurden die Hutnadeln verboten, es gab Demonstrationen dagegen und auch Verhaftungen. Gabi Blum, namensverwandt mit der Frau des Künstlers, wurde an einem 19.03. geboren und begibt sich für dieses Tableaux vivant final als Model für 19.03 Minuten in die Installation, während das Lied, das an ihrem Geburtstag Nummer 1 der deutschen Singlecharts war, in Dauerschleife gespielt wird.
Wir freuen uns, bei der diesjährigen Open Art wieder mit dabei zu sein!
Ausstellung
‚U Can Take’
Öffnungszeiten während der Open Art Freitag, 24.9.2021, 18 bis 21 Uhr Samstag, 25.9.2021, 11 bis 18 Uhr Sonntag, 26.9.2021, 11 bis 18 Uhr
Performanceprogramm
Fr. 9.9.2022 18 Uhr Eröffnung 18.15 Uhr ‚In Search of Humanity‘ von Felix Helmut Wagner, Wien 19 Uhr ‚Tin Omen‘ von Max Weisthoff, München (Hinweis: Diese Performance enthält sensible Inhalte)
Sa. 10.9.2022 14 Uhr ‚Can You Take?‘ von Esther Abdelghani mit Diana Wöhrl, München 16 Uhr ‚Baby Blues’ von Haveit, Pristina (Kosovo)
So. 11.9.2022, 14 bis 16 Uhr ‚Interieur mit Frau in Rot‘ von Gabi Blum, München ,Whirling‘ von Lisa Stertz, Berlin
Katalogpräsentation mit musikalischem Programm Di, 21.6.2022, ab 19 Uhr
Lesung aus der Publikation mit Franziska Ball, Schauspielerin und Musik von Janine Schrader und Monika Olszak
Mit diesem Ausstellungsprojekt und dem vorliegenden Buch begegnen wir der Ambivalenz des Lebens und des menschlichen Strebens nach Sinn in einem offenen Raum, in dem Kunst, Religionswissenschaft und Theologie in einem Dialog zusammenkommen. Damit verweigern wir einfache Antworten und loten die Kraft aus, die dem Fragen und dem Suchen innewohnt. Kunstwerke verengen Fragestellungen nicht auf ein polarisiertes „Entweder – Oder“, sondern ermöglichen einen tiefergehenden Blick auf die menschliche Sehnsucht nach Orientierung, die manchmal widersprüchlich oder gar fragwürdig ist. Die Kunst in ihrer vielfältigen Bandbreite macht Suchbewegungen des Menschen sinnlich wahrnehmbar. Sie involviert Menschen in die grundlegende, existenzielle Tätigkeit des Sehens und Schauens und macht sie somit zum wesentlichen Bestandteil des Kunstwerks. Die Begegnung mit dem Kunstwerk kann Menschen überraschen, irritieren, verändern – wenn auch nur vorübergehend, transitorisch. Dennoch vermögen es Kunstwerke, Orientierung zu stiften, indem sie aufzeigen, wie existenziell, vielschichtig und widersprüchlich unser menschliches Suchen und Sehnen ist.
Frank Bölter’s Faltaktion ‚Weiße Rose (XXL)‘ am Viktualienmarkt München. Foto: Gerald von Foris Frank Bölter, Weiße Rose (XXL), 2022, FaltaktionFrank Bölter’s Faltaktion ‚Weiße Rose (XXL)‘ am Viktualienmarkt München. Foto: Gerald von ForisFrank Bölter’s Faltaktion ‚Weiße Rose (XXL)‘ am Viktualienmarkt München. Foto: Gerald von ForisFrank Bölter, Weiße Rose (XXL), 2022, FaltaktionFrank Bölter, Weiße Rose (XXL), 2022, FaltaktionFrank Bölter, Weiße Rose (XXL), 2022, Heilig-Geist-Kirche
Frank Bölter’s Faltaktion ‚Weiße Rose (XXL)‘ am Viktualienmarkt München am 18. Mai 2022. Video: Lion Bischof
Im Rahmen von ‚Auf der Suche …‘, dem Ausstellungsprojekt im Dialog von Kunst, Kirche und Wissenschaft, initiiert Frank Bölter ein eintägiges öffentliches Papierfalten auf dem Viktualienmarkt in München. Die Aktion „Weiße Rose (XXL)“ beinhaltet das öffentliche, gemeinschaftliche Falten einer überdimensionierten weißen Rose aus Karton in der kunsthandwerklichen Technik des Origami mit dem Laufpublikum auf dem Münchener Viktualienmarkt. Anlass für diese öffentlichkeitsinvolvierende, bildkünstlerische Form der Erinnerungskultur ist das 80-jährige Jubiläum der Gründung der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ gegen die NS-Terrorherrschaft im Juni 1942.
Als Ort der Realisierung der Faltaktion wird der viel frequentierte Viktualienmarkt gewählt, an dem Münchner Bürgerinnen und Touristinnen eingeladen sind, am Herstellungsprozess einer 2 x 2 Meter großen weißen Rosenblüte – inklusive Stängel in einer Gesamtlänge von 5 Metern – mitzuwirken. Das mehrteilige Faltobjekt wird so innerhalb einer „öffentlichen Bildhauerwerkstatt“ mit der Marktkundschaft als vielschichtigem bildhauerischen Akteur entstehen. Die zeitliche Inanspruchnahme jedes/jeder Faltenden variiert – angefangen beim bloßen Falten, über das Ineinanderlegen der einzelnen Faltobjekte bis hin zum Anbringen des Stängels am Blütenkopf bleibt jedem Marktbesuchenden selbst überlassen, ob er nur ein paar Minuten seiner Zeit schenkt oder sogar etliche Stunden. So entsteht über die Dauer eines Tages ein komplexes, gemeinschaftlich erarbeitetes Papierobjekt. Anschließend soll die Rose in der Heilig-Geist-Kirche ausgestellt werden; auch dorthin wird die riesige Origami-Skulptur von Freiwilligen gemeinschaftlich transportiert und erzählt so vom öffentlichen Herstellungsprozess samt Gebrauchsspuren, Fußabdrücke, unvorhergesehener Knicke und korrigierter Falten.
Lokale Bezüge zu tatsächlichen Ereignissen in München wie zur überregionalen und internationalen Bedeutung und Strahlkraft der „Weißen Rose“ korrespondieren hier mit der Spannung zwischen den Attributen der kunsthandwerklichen Origami-Technik in üblicherweise kleinem Format, gepaart mit solitärer, kontemplativer und friedfertiger Beschäftigung auf der einen Seite und formaler Überdimensionierung und inhaltlich-politischer Aufladung auf der anderen. Neben der rein formalen Äquivalenz zur Weißen Rose greift die Kunstaktion das Material Papier auch als Informationsträger auf, wie auch die Ebene der öffentlichkeitswirksamen Beteiligung der Bevölkerung. So wird direkt eine Parallele zur folgeträchtigen Aktion der Gruppe Weiße Rose gezogen, deren Mitglieder am 18. Februar 1943 Exemplare ihres 6. Flugblatts gegen das NS-Regime von der Galerie in den Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität München warfen und daraufhin verhaftet wurden. Der Beitrag „Weiße Rose (XXL)“ ist der Versuch, das Bewusstsein für die grundsätzliche Gefahr von Diskurs- und Demokratieverlust, Ausgrenzung, Separation und Faschismus in der Form des kunstpraktischen Zitats des historisch konkreten und museal-institutionalisierten Beispiels des Bodendenkmals von Robert Schmidt-Matt vor dem Haupteingang der LMU mit dieser „neuen“ Übung zu schärfen. So lässt sich die Palette der geschichtsvermittelnden Möglichkeiten erweitern, in der Gesellschaft verankern und bestenfalls verstetigen. Alle Flanierenden am Viktualienmarkt sind eingeladen, zur Weiterentwicklung dieses Vorhabens in Form eines offenen Dialogs beizutragen.
Faltaktion: 18. Mai 2022, 10 bis 18 Uhr, Viktualienmarkt München Ausstellungszeitraum: 18. Mai bis 2. Juni 2022, Heilig Geist, Prälat-Miller-Weg 1, 80331 München
Frank Bölter, 1969 in Lippstadt geboren, begann bereits während seines Studiums an der Kunstakademie Münster von 1998 bis 2003 mit seinen Arbeiten, Erwartungen innerhalb und außerhalb des akademischen Kunstbetriebs zu hinterfragen. Bölters Projekte zeichnen sich gleichermaßen durch ihre kraftvolle poetische Bildsprache wie durch die Präzision ihrer Ausführung aus, die oft unter den schwierigen Bedingungen des öffentlichen Raums erfolgt. Darüber hinaus basieren seine Projekte auf einem beeindruckenden Kommunikationswillen, der die traditionellen Definitionen von Objekt und Praxis hinter sich lässt und seine Installationen in den Bereich des Performativen ausweitet. www.frankboelter.com www.wegdesgeringstenwiderstandes.de
der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst, der Kunstpastoral der Erzdiözese München und Freising mit Sitz in St. Paul, der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden Erlöserkirche, St. Markus und Immanuel- Nazareth und der katholischen Pfarrgemeinde Heilig Geist in München, dem Lehrstuhl für Religionswissenschaft und Religionsgeschichte der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ludwig- Maximilians-Universität sowie der Klasse von Schirin Kretschmann an der Akademie der Bildenden Künste München.
Thematische Führung durch die Ausstellung Di, 24.5.2022, 19 Uhr Di, 31.5.2022, 19 Uhr Di, 12.7.2022, 19 Uhr
‚Auf der Suche …‘ – Was sucht der Mensch? Diese Frage erscheint uns heute aktueller denn je: Trotz großer technischer und medizinischer Errungenschaften bestimmt Verunsicherung das Leben der Menschen weltweit. Die anhaltende Klimakrise, der Krieg mitten in Europa und die Corona-Pandemie haben das Gefühl von „Normalität“ zerrissen.
Ein Ausstellungsprojekt der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst, der Kunstpastoral der Erzdiözese München und Freising mit Sitz in St. Paul, der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden Erlöserkirche, St. Markus und Immanuel-Nazareth und der katholischen Pfarrgemeinde Heilig Geist in München, dem Lehrstuhl für Religionswissenschaft und Religionsgeschichte der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität sowie der Klasse von Schirin Kretschmann an der Akademie der Bildenden Künste München.
Federico Delfrati ‚The Library of Jane Goodall‘, Nazareth KircheFederico Delfrati ‚The Library of Jane Goodall‘, Nazareth Kirche
Aufführung mit Jane Goodall’s Library Choir unter Leitung von Christian Seidler
Evang.-Luth. Nazarethkirche Barbarossastraße 3 81677 München
“The Library of Jane Goodall“ ist ein Konzert experimenteller Musik mit Synthpop-Anklängen und eine Performance, die durch einen narrativen Faden miteinander verbunden sind, der mal von einer Stimme erzählt und gesungen, mal von einem Chor und vier Synthesizern gespielt wird.
Das zentrale Thema der Geschichte ist inspiriert von den Schriften Hans Blumenbergs über den Moment, in dem der letzte Affe zum Menschen wurde, weil er sich mit einem Steinwurf verteidigte. Indem er die erste räumliche Distanz zwischen sich selbst als Beute und seinem Raubtier mit Hilfe eines Objekts herstellte, begann der letzte Primat, sein eigenes Ich wahrzunehmen. Von diesem Moment an waren es gerade die Entfernungen, die als leere Räume zwischen den Körpern verstanden wurden, die die Phasen abgrenzten, in denen der Geist begann, die Zeit in einer erweiterten Weise wahrzunehmen, sich selbst zu hinterfragen, zu antizipieren.
Die Performance dekonstruiert diese Etappen rückwärts in mögliche Kapitel, jedes mit einer anderen Erzählstimme (einer Generation von Köpfen), die zwanghaft versucht, sich selbst zu verstehen und ihrer Existenz einen Sinn zu geben, indem sie sich auf einen Mythos, eine Autorität, eine Mutter beruft – eine Figur, die hier von der britischen Primatologin Jane Goodall repräsentiert wird.
In den letzten Jahren hat sie sich zu einer Verfechterin der Rechte aller Tierarten mit starkem ökologischem und naturschützerischem Charakter entwickelt. 50 Jahre lang hat sie das Leben, das Verhalten, die „Kultur“ und den Tod unzähliger Generationen von Schimpansen untersucht. Sie besitzt die Bibliothek mit allen Notizen, Studien und Antworten, die für die studierten Subjekten unverständlich sind. Es ist die Figur des Gott-Wissenschaftlers und des Wissenschaftler-Gottes, der hier eine nicht wertende Rolle einnimmt, analytisch und stumm gegenüber den Obsessionen ihrer Untertanen. Und die “Distanz” zwischen den Fragen und einer möglichen Antwort wird immer größer, denn die Kapitel des Konzerts erzählen von einer Zeit, die rückwärts läuft, bis der Stein geworfen wird.
So singen Generationen von Menschen, Hominiden und Affen:
Jane, Jane, did you read them all, Jane? Tell me how to behave, Like the boy in your cage.
Jane, Jane, where’s the start of the maze? Am I part of your game? Are there rules to be played by?
Jane Jane, did you read them all, Jane? Tell me how to behave, Tell me how to behave.
Die Veranstaltung wird im Rahmen des Ausstellungsprojektes Auf der Suche… durchgeführt. Die Performance ist als Video während der Laufzeit der Ausstellung im DG Kunstraum und in der Evang.-Luth. Nazarethkirche zu sehen.
Die ganze Produktion ist auch zu hören auf Spotify.
„In unserer Gesellschaft wird Weiblichkeit gleichgesetzt mit Fürsorglichkeit. Frauen sind zuständig für emotionale Zuwendung, für Harmonie, Trost und Beziehungsarbeit – für Tätigkeiten also, die unsichtbar sind und kaum Anerkennung oder Bezahlung erfahren.“ (aus: Die Erschöpfung der Frauen: Wider die weibliche Verfügbarkeit, von Franziska Schutzbach)
Mit ihrer Kunst mischt sich Gabi Blum in politische Debatten ein und weist unter anderem immer wieder auf die prekäre Situation von Künstler:innen hin. Kirsten Kleie hatte von 2019 bis 2021 einen Lehrauftrag an der Akademie der Bildenden Künste München mit dem Titel: ‚KlasseMusterFrau – 100 Jahre Öffnung der Akademie der Bildenden Künste für Frauen‘. Beide engagieren sich in unterschiedlichen Initiativen wie z.B. K&K – Bündnis Kunst und Kind, das sich für die Interessen von Künstler:innen mit Kindern einsetzt.
Gabi Blum www.gabiblum.de ist Künstlerin, Kuratorin und Aktivistin. Sie kombiniert raumgreifende begehbare Installationen mit Performance, Malerei und Video. Ihre meist ortsspezifisch konzipierten Arbeiten arrangieren Menschen in kulissenartigen stereotypen Räumen und verstehen sich als prozesshafte experimentelle Anordnung von Material, Akteur:in und zeitbasierten Medien.
Mit ihrer Kunst mischt sie sich in politische Debatten ein und weist unter anderem immer wieder auf die prekäre Situation von Künstler:innen hin, ist Mitbegründerin der Initiativen #EXIST – Raum für Kunst in München und K&K – Bündnis Kunst und Kind . Zusammen mit Mitgründerin Anna Schölß und mehr als 100 Anhänger:innen setzt sich K&K für die Interessen von Künstler:innen mit Kindern ein, schafft sich eine eigene Plattform, Sprachrohr und Stimme.
Kirsten Kleie www.kleie.net Studium an der Bayerischen Staatslehranstalt für Photographie, Studium der Philosophie an der LMU München und an der Akademie der Bildenden Künste, München, Diplom als Meisterschülerin, 2014
Lehrtätigkeit 2019 – 2021 Lehrauftrag an der Akademie der Bildenden Künste, München Projekt ‚KlasseMusterFrau – 100 Jahre Öffnung der Akademie der Bildenden Künste für Frauen‘ 1997 – 2001 Dozentin für Fotografie an der Münchner Volkshochschule
Mitglied in folgenden Verbänden und Netzwerken seit 2020 2. Vorstand des Sozialfonds e.V. des Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler München und Oberbayern e.V. seit 2019 GEDOK München – Gemeinschaft der Künstlerinnen und KunstförderInnen seit 2019 K&K Bündnis von und für Künstlerinnen mit Kindern seit 2017 Beisitzerin im Sozialfonds e.V. des Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler München und Oberbayern e.V. seit 2015 Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler München und Oberbayern e.V.