DG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum DiskursGegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs GegenwartDG Kunstraum Diskurs Gegenwart

Den Erinnerungen hängt immer etwas Verworrenes an‘
von Benita Meißner
Einführung in den Doppelpass VI



Seit 2015 sprechen wir in Deutschland von einer ‚Flüchtlingskrise‘, die nicht getrennt von Klimawandel, Kriegen und kolonialen Kontinuitäten betrachtet werden kann. Fragen nach Herkunft, Heimat oder dem Zuhause werden vermehrt auch von Künstler*innen aufgegriffen und Themen wie Identität, Rollenbilder sowie Diasporaerfahrungen neu verhandelt. Der Begriff ‚Heimat‘ wird heute extrem aufgeladen besprochen und schürt politische und alltägliche Konflikte sowie existentielle Ängste. Heimat ist aber auch ein übergeordneter Begriff und heutzutage sehr individuell bestimmt, er bezieht sich nicht auf einen einzigen Ort, sondern weitet sich über das Geografische hinaus.

Der Band 291 des Kunstforum International trägt den Titel ‚Heimat – über ein ambivalentes Gefühl‘, die Bundeskunsthalle Bonn widmet eine der zentralen Ausstellungen des Jahres 2023 dem Thema ‚Wer wir sind. Fragen an ein Einwanderungsland‘ mit der Erklärung, dass Migration kein Sonderfall, sondern der Normalzustand sei, zu jeder Zeit und überall auf der Welt. Daran schließt die Ausstellung ‚Deine Hand auf meiner Schulter‘ thematisch an durch eine künstlerische Annährung an die Frage „wo bin ich Zuhause?“. Der Doppelpass VI zeigt die unterschiedlichen Suchbewegungen der beiden Künstlerinnen Judith Hummel und Esther Zahel und lädt ein sich mit der eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen oder sich ebenfalls auf eine Reise in die eigene Vergangenheit zu begeben.

Migration findet dauernd statt; ein Zustand, der sich aber für die Betroffenen alles andere als normal anfühlt. Viele Personen leben in Deutschland auf Grund der Fluchtbewegungen der Großeltern oder Urgroßeltern. 

Eine auffallend große Fluchtwelle wurde im Herbst 1944 durch Gewaltverbrechen der sowjetischen Soldaten an deutschen Zivilisten ausgelöst. In den Wintermonaten 1944/45 zogen Millionen aus dem Osten, von Pommern bis Rumänien bei Schnee und Kälte zumeist zu Fuß zurück in die ‚alte Heimat‘. So auch Barbara Hummel, eine Donaudeutsche, die im September 1944 aus dem rumänischen Banat, Sackelhausen, über Ungarn nach Österreich floh. Im April 1945 kam sie im österreichischen Münzkirchen an, um nach ihrer dortigen Heirat dann 1952 in Wannweil, Reutlingen, sesshaft zu werden. 

Ihre Enkelin Judith Hummel macht sich seit 2019 in ihrem filmisch-performativen Triptychon ‚Wo komme ich her? Gehen – von Rumänien nach Deutschland‘ auf eine Reise in die Vergangenheit und versucht den Fluchtweg der Großmutter nachzuvollziehen. Begleitet wird sie dabei von Laura Kansy, die die Kamera führt, und ihrer Mutter Margret Hummel. Das geografisch-physische Zurückgehen ist der Motor für Mutter und Tochter, sich über die bestehenden Verbindungen zwischen den Generationen auszutauschen und der Fluchtgeschichte nachzusinnen.

Judith Hummel taucht in die Vergangenheit ein – manchmal körperlich und impulsiv wie in der 2. Filmetappe – um sich den teilweise traumatischen Erlebnissen der Familie, die sich in das System eingeschrieben und ihre Spuren hinterlassen haben, zu stellen. Das Projekt startet zu einem Zeitpunkt als das Gedächtnis der Großmutter zu verblassen beginnt und Tochter und Enkelin beschließen, die vorhandenen Erinnerungen zu sortieren und aufzubewahren. Die drei Filme sind mehr als Etappen einer Reise, es sind Verdichtungen von Erinnerungen und Emotionen.

Während bei Judith Hummel die einzelnen Personen der Familie im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, schafft Esther Zahel mit ihrer mehrteiligen, raumfüllenden Installation ein fiktives Zuhause, voll vertraut wirkender Möbelstücke, das aber menschenleer ist. Es handelt sich um partiell mit Acryl kolorierte, großformatige Kohlezeichnungen auf Leinwand, die Raumsituationen andeuten. Die zeichnerischen Elemente erwachsen aus eigenen Erinnerungen und bekannten Formen. Über die Einbindung architektonischer Elemente kreiert die Malerin eine Brücke zwischen Narrativ und Realität: Fenster, Tür und Balkongeländer werden ganz selbstverständlich zum Teil des Ganzen. Die Installation zeigt den Mut der Künstlerin prozesshaft zu arbeiten und manches nur anzudeuten.

Ihre Malerei erzählt den Anfang vieler Geschichten und lädt ein diese weiter zu träumen oder mit eigenen Erinnerungen auszumalen. Die einzelnen Bildelemente wurden von der Künstlerin mit Titeln versehen, die sich direkt an dendie Betrachterin wenden, so trägt ein Ensemble aus Tisch und zwei Stühlen den Titel ‚Wir müssen mal reden‘. Die Titel erinnern aber auch an Gedankenfetzen, Fragen oder Notizen aus einem Tagebuch, so lautet der Titel des Bildes mit Balkonelement ‚Laue Morgenluft auf deiner Haut‘ und der Titel für das Küchenbild ‚Der Sauerteig der Schwiegermutter‘. ‚Das Geflecht meiner Wurzeln’ zeigt ein Bücherregal, die Buchrücken sind mit den Namen von Zahels Vorfahren beschrieben. Welche Namen tauchen auch in unseren Stammbäumen auf? Sind die Geschichten der einzelnen Personen in diesen Büchern nachzulesen? Wie wäre mein Bücherregal bestückt?

Deine Hand auf meiner Schulter‘ erzeugt ein inneres Bild einer zärtlichen Berührung zwischen vertrauten Personen, wie zum Beispiel zwischen Mutter und Tochter. Es hat etwas Beschützendes und Liebevolles. Die Begegnung der beiden Künstlerinnen im Ausstellungsraum verbindet sich rücksichtsvoll: die eine baut einen Raum für die Filme der anderen, die wiederum schenkt dem schnörkeligen, gezeichneten Bilderrahmen ein Motiv ihrer Reise. Der Blick über den Balkon führt uns zu einer Knopfinstallation von Judith Hummel, die uns den Weg zur Empore weist, um dort unsere eigenen Gedanken und Assoziationen auf den Postkarten von Judith Hummel zu hinterlassen.

So transformiert sich das Bild der persönlichen Erinnerungen an das Näharchiv in Schachteln von Barbara Hummel in ein gemeinschaftliches Archiv der Besucherinnen, die auf den Rückseiten der Karten sehr persönliche Nachrichten zu ihrer Vorstellung von ‚Zuhausesein‘ hinterlassen. Es ist sind oft eher flüchtige Dinge wie Gerüche oder Geräusche, die ein Zuhause ausmachen: der Geruch von frischem Kaffee oder der Duft von Nivea-Creme der Kindheit, das Geigenspiel des Vaters, manchmal aber auch der sehr private physische Raum, wie das eigene Bett.

Vor dem Verlassen des Ausstellungsraumes haben die Besucher*innen die Möglichkeit das Gesehene im Außenraum noch nachwirken zu lassen in dem sie den Audiowalk aktivieren. Dieser wurde von Ruth Geiersberger und Judith Hummel eingesprochen und lädt zu einer auditiven Erfahrung im Gehen und einem meditativen Spaziergang durch die Stadt ein. Am Ende wird man ermuntert einen der bunten Wollquasten von Barbara und Margret Hummel im Außenraum an einem Ort seiner Wahl zu hinterlassen.

Benita Meißner
Kuratorin

Diesen und weitere Texte können Sie in der Publikation zur Doppelpass VI – Ausstellung ‚Deine Hand auf meiner Schulter‘ lesen.

Abb.: Ausstellungansicht ‚Deine Hand auf meiner Schulter‘, DG Kunstraum 2023, Foto: Gerald von Foris

Dauerausstellung
Brigitte Kowanz
‚Sichtlinien des Möglichen‘

Mit der Einzelausstellung ‚Sichtlinien des Möglichen‘ 2019 präsentierte die DG neuere Werke der österreichischen Künstlerin Brigitte Kowanz (*13. April 1957 bis † 28. Januar 2022). Nicht erst seit ihrem überzeugenden Auftritt im Österreichischen Pavillon auf der Biennale von Venedig 2017 wurde ihr Werk international bekannt. Bereits seit den 1980er Jahren konzentrierte sich ihr Schaffen auf Zeichen und Sprache, die mittels Neonlicht zu leuchtenden Codes werden. Diese fungieren als visuelle Poesien als auch analytisch präzise Definitionen gleichermaßen.

Auftakt der Ausstellung ist die Einweihung einer eigens für die Räumlichkeiten konzipierten Arbeit der Künstlerin, die die DG mit dem Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V. in Auftrag gegeben hat und die nun in einer Dauerausstellung zu sehen ist.

Die Lichtinstallation besteht aus drei interagierenden Kuben aus Zweiwegspiegeln, Spiegeln und Neonschriften. Die Leuchtschriften sind auf einem Innenkubus aus Glas montiert. Der Text ‚Sichtlinien des Möglichen‘ erstreckt sich über die drei Kuben und innerhalb der Außenkuben über verschiedene Seiten der Innenkuben in weißem und gelbem Neonlicht. 

Die Skulptur befindet sich im Innenraum des DG Kunstraum und öffnet sich über die Glasfassade zum Außenraum. Damit wird sie zu einem wahrnehmbaren Lichtzeichen im Straßenbild. Die Arbeit kann aus unterschiedlichen Entfernungen und Blickwinkeln wahrgenommen werden und erschließt dabei immer neue Lichträume. Es ist das erste Kunstwerk, das den neuen Räumen in der Finkenstraße eine langfristige Prägung geben wird.

Als Sichtlinie bezeichnet man die Linie, von der aus eine Straße oder Kreuzung eingesehen werden kann. Der Text zielt nicht auf eine eindeutige Aussage ab, vielmehr eröffnet er immer neue Perspektiven, eine Vielzahl an visueller und ideeller Ebenen. Doch das Werk markiert auch eine Grenze zwischen dem großen Ganzen, der Siemens Konzernzentrale, und dem darin integrierten nicht kommerziellen Bereich des christlichen Kunstvereins. Hier ist alles möglich, da die Künstler ihrer Kreativität freien Lauf lassen können.

Ein Stückchen weiter entlang des Altstadtrings findet man eine weitere Installation von Brigitte Kowanz, in der die Bewegungen und die Dynamik des städtischen Raums aufgegriffen und gespiegelt werden. Wie eine dreidimensionale Filmsequenz wirken die Lichtobjekte an der Fassade der Zentrale des Goethe-Instituts am Oskar-von-Miller-Ring. Durch Brigitte Kowanz nach Außen sichtbare Lichtarbeit im DG Kunstraum in der Finkenstraße und durch das Werk ‚Lichtpartitur‘ (2000) am Goethe-Institut entsteht eine gedachte Linie, ein Weghinweis der Richtung Kunstareal zielt.

Brigitte Kowanz über ihre Arbeit: „Licht ist der Grundstock für alles, die Grundlage für Leben. Es macht alles sichtbar und ist dabei selbst unsichtbar. Dabei ist es immer wieder eine neue Herausforderung, mit Licht als Material zu arbeiten. Vor allem, weil es so vielfältig ist. Mit Licht lassen sich Räume erzeugen, man kann damit aber auch informieren und Daten transportieren. In Lichtgeschwindigkeit.“

Publikation zur Ausstellung
‚Rosa Immergruen
Zeitgenössische Kunst und lyrische Zeitreise‘

Katalog 158 erscheint begleitend zur Ausstellung ‚Rosa Immergruen‘ im DG Kunstraum der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst e.V. vom 26. Mai bis 3. August 2023 im Rahmen des Flower Power Festival München.

Der Katalog ist für € 9,00 im DG Kunstraum zu erhalten oder bestellbar (plus Porto bei Versand) unter info@dg-kunstraum.de

Herausgeber*innen: Benita Meißner, Dr. Walter Zahner (1. Vorsitzender DG)
Texte: Dr. Isabel Kranz, Benita Meißner, Dr. Judith Elisabeth Weiss
Lektorat: Daniela Lange
Gestaltung: Bernd Kuchenbeiser Projekte
Druck: DZA Druckerei zu Altenburg
Fotos: Gerald von Foris

© Ausstellungsansichten: Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst e.V.
Michaela Bruckmüller, Fade Away, 2016–2017 (Abb. 3) © Bildrecht, Wien, 2023
Iwajla Klinke, Courtesy: Sammlung Köstlin, Berlin (Abb. 8)
Barbara Köhler (Abb. 9) © Nachlass Barbara Köhler, Deutsches Literaturarchiv Marbach, Courtesy: Galerie m, Bochum
Miron Schmückle, Courtesy: Galerie Setareh (Abb. 2, 4, 5, 12, 13, 16)
Miron Schmückle (Abb. 2, 4, 5, 12, 13, 16), Claudia Starkloff (Abb. 1, 4, 10, 13, 14, 16), Michael von Brentano (Abb. 1, 2, 10, 11, 13, 16): © VG Bild-Kunst, Bonn 2023 Die Geltendmachung der Ansprüche gem. § 60h UrhG für die Wiedergabe von Abbildungen der Exponate/Bestandswerke erfolgt durch die VG Bild-Kunst.

© Texte liegt bei den Autor*innen und der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst e.V.

© Texte der folgenden Autor*innen liegen bei den jeweiligen Verlagen/Archiven:
Ingeborg Bachmann © Piper Verlag
Gottfried Benn © Klett Cotta Verlag
Inger Christensen © Josef Kleinheinrich Verlag
Hilde Domin © Fischer Verlag
Barbara Köhler © Deutsches Literaturarchiv, Marbach

Auflage 2023
ISBN 978–3‑932322–61‑7

DG Kunstraum Diskurs Gegenwart
Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst e.V.
Finkenstraße 4 80333 München
Telefon +49(0)89 28 25 48
info@dg-kunstraum.de www​.dg​-kunstraum​.de

Geschäftsführerin und Kuratorin: Benita Meißner
Assistenz der Geschäftsführung: Manuela Baur
Kommunikation und kuratorische Assistenz: Daniela Lange

Dank
Wir bedanken uns bei allen Künstler*innen und Autor*innen für die Unterstützung des Projektes. Wir bedanken uns für die großzügige Förderung beim Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V., München und beim Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.

Ausstellung
,Rosa Immergruen‘
Zeitgenössische Kunst und lyrische Zeitreise
26. Mai bis 3. August 2023

Eröffnung Do, 25.5.2023
Ausstellung bis Do, 3.8.2023

Künstler*innen
Michaela Bruckmüller
Miriam Ferstl
Masami Hirohata
Iwajla Klinke
Barbara Köhler
Miron Schmückle
Sophie Schmidt
Claudia Starkloff
Michael von Brentano
Franziska Wolff

Autor*innen
Ingeborg Bachmann
Gottfried Benn
Inger Christensen
Hilde Domin
Nora Gomringer
Andreas Gryphius
Klára Hůrková
Barbara Köhler
Gertrud Kolmar
Christian Morgenstern
N.N.
Rainer Maria Rilke
Salomon
Sappho
Muhammad Schams ad-Din Hafis
Kurt Schwitters
Ludwig Steinherr
Walther von der Vogelweide
Johann Wolfgang von Goethe

Nichts ist mit allem verbunden, alles ist mit etwas verbunden“ 
Donna Haraway

In der Ausstellung ‚Rosa Immergruen‘ werden Blumenmotive zum Spiegel unserer Gedanken und Gefühle. Die großen Themen des Lebens wie Liebe, Freude oder auch Trauer werden mittels Blumen seit Menschengedenken zum Ausdruck gebracht. Über verschiedene Regionen und Kontinente, Epochen und Systeme hinweg zeugen sie von der Verbindung des Menschen zur Natur.

Seit es Hochkulturen gibt, werden Blüten als Schmuckelemente eingesetzt und tauchen auch als Motiv in der Bildenden Kunst auf. Bis heute greifen internationale Künstler*innen einerseits die Tradition des Blumenstilllebens sowie der naturkundlichen Feldforschung auf; andererseits lösen sie das Thema aus diesen gattungsspezifischen Zusammenhängen und entwickeln es weiter.

Die zeitgenössischen Werke in der Ausstellung werden von Gedichten aus unterschiedlichen Epochen begleitet, die zu einer lyrischen Zeitreise einladen. Die eingesprochenen Gedichte umgarnen das Gesehene akustisch und machen die Bandbreite menschlicher Beziehungen zur Blume über alle Zeiten hinweg offenkundig. Im Kontrast dazu steht die Zerstörung von Lebensräumen sowie der unablässig voranschreitende Biodiversitätsverlust der heutigen Zeit. Solastalgie macht sich breit, die Sehnsucht nach einer lebendigen Natur ist spürbar, denn nicht nur wir, sondern zukünftige Generationen sind von ihr abhängig. Die von den Künsten verehrte Blüte scheint in ihrer unwiderstehlichen Pracht die Rolle einer Vermittlerin einzunehmen, die uns an dieses elementare Wechselspiel erinnert.

Die Arbeiten im Raum zeigen die Bedeutungserweiterung und die künstlerische Aktualität dieses Motivs: von der formalen Auseinandersetzung, dem Nachdenken über sich selbst, über gesellschaftspolitische bis zu genderspezifischen Fragestellungen. Was ist die Blume für uns heute? Welche Relevanz werden wir ihr in Zukunft einräumen? Die Blume erscheint in diesem Zusammenhang wie ein leeres Gefäß, in das alle, ob Kunstschaffende oder –betrachtende, eigene Interpretationen hineinfüllen können.

Der Ausstellungstitel ist entlehnt von der gleichnamigen Publikation ‚Rosa Immergruen – ein Florilegium‘ von Barbara Bongartz, Barbara Köhler, Suse Wiegand, Verlag für moderne Kunst Nürnberg, 2002.

Rosa Immergruen ist eingebettet in das Flower Power Festival der Stadt München, das vom 3. Februar bis 7. Oktober 2023 unter dem Motto „Natur feiern in der Stadt“ stattfindet. Ergänzt wird die Ausstellung durch ein vielfältiges interdisziplinäres Rahmenprogramm aus Performances, Führungen, Workshops für Kinder und Lesungen.

Programm

Eröffnung der Ausstellung
Donnerstag, 25. Mai 2023, 18 bis 21 Uhr
19.30 Uhr
Begrüßung
Dr. Ulrich Schäfert, Geschäftsführender Vorstand
Einführung
Benita Meißner, Kuratorin

Der Geheime Garten
Kinderworkshop mit Johanna Eder,
Freitag, 26. Mai, 30. Juni, 14. Juli, 21. Juli 2023
jeweils 15 bis 16.30 Uhr

Offene Wörter•werkstatt
Blumen und Gedichte mit Kilian Ihler
Freitag, 9. Juni, 23. Juni, 7. Juli 2023
jeweils 15.30 bis 17.30 Uhr

Führungen mit der Kuratorin
Dienstag, 20. Juni 2023, 19 Uhr
Dienstag, 4. Juli 2023, 19 Uhr

Performance
Sophie Schmidt
Donnerstag, 13. Juli 2023, 19 Uhr

Potential Blumenwiese
Blumen-Pflasterstein Produktion mit Claudia Starkloff
Samstag, 15. Juli 2023, 11 bis 14 Uhr

Musikalische Performance
Toffaha – Rasha Ragab und Christoph Nicolaus
Donnerstag, 20. Juli 2023, 19 Uhr

Finissage
Peng Peng Peng
Nora Gomringer und Philipp Scholz
Donnerstag, 3. August 2023, ab 18 Uhr

Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag, 12 bis 18 Uhr
geschlossen
Freitag, 9. Juni 2023

Sonderöffnungszeit zum Kunstarealfest
Samstag, 15. und Sonntag, 16. Juli 2023, 11 bis 18 Uhr


In Kooperation mit

Ausstellung im Rahmen des Flower Power Festival München

Mit freundlicher Unterstützung


Abb. Ausstellungsansichten Rosa Immergruen, DG Kunstraum 2023, Fotos: Gerald von Foris
Ausstellungstitel entlehnt von der gleichnamigen Publikation ‚Rosa Immergruen – ein Florilegium‘ von Barbara Bongartz, Barbara Köhler, Suse Wiegand, Verlag für moderne Kunst Nürnberg, 2002

Sophie Schmidt
,Die Radicchiofrau And The Brooklyn Based Crab‘
Performance im DG Kunstraum 2023


Performance im Rahmen der Ausstellung ‚Rosa Immergruen. Zeitgenössische Kunst und lyrische Zeitreise‘ und des Flower Power Festival München im DG Kunstraum am 28. Juli 2023.

Im Rahmen der Ausstellung Rosa Immergruen liess die Künstlerin einen Cyborg namens Radicchiofrau entstehen.

Sophie Schmidt tritt in ihren Performances als hybrider Körper auf. Mit Alltagsgegenständen erweitert sie ihren Körper prothesenartig. Diese Erweiterungen orientieren sich an der Denkfigur ‚die Cyborg‘ der utopischen Feministin Donna Haraway: Es sind vielfach verbundene Körper, Mensch, Tier und Maschine in einem und damit auch gelebte soziale Beziehungen und weltverändernde Fiktion. Der Körper erfährt in ihren sogenannten Aktivierungen eine Transformation, die Grenzen zwischen verschiedenen Seinsformen zu überwinden versucht.

Gesellschaftlich konstruierte Erzählungen über den Körper werden neu verhandelt. Schmidts Prothesen stolpern, verlangsamen und verkomplizieren. Sie sind freundlich, aber auch widerständig. Sie lachen, schreien, weinen und verstören. Sie zerstören und scheitern, um aufs Neue zu beginnen. Von ihr geschriebene, auf ihre eigene Weise poetische, laut gesprochene oder gesungene Texte schlagen Brücken zwischen Zeichnungen, Gemälden und Skulpturen. Im Rahmen der Ausstellung Rosa Immergruen präsentiert Schmidt im DG Kunstraum eine Aktivierung der Radicchiofrau…And The Brooklyn Based Crab.

Performance: Sophie Schmidt

Kamera Schnitt: Lion Bischof

Rosa Immergruen‘ bei Culture Talks
Markus Stampfl im Gespräch mit Benita Meißner

Blumen als Vermittler zwischen Mensch und Natur. Lyrische Texte und Blumenmotive als Spiegel unserer Gedanken und Gefühle. 

In der Ausstellung Rosa Immergrün sind Blüten nicht nur Schmuckelemente, sondern auch Motiv der Bildenden Kunst – vermittelt über Gedichte aus unterschiedlichen Epochen. Eine nicht nur lyrische Zeitreise also, die Mensch und Natur über die Blume verbindet. Die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst zeigt 10 Künstlerinnen und Künstler und macht durch alle Epochen fast 20 Autorinnen und Autoren hörbar. Zu Gast bei Markus Stampfl im Culture Talk ist die Kuratorin der Ausstellung Benita Meißner.

Hier geht es zum Beitrag auf münchen.tv

Foto: Markus Stampfl, Culture Talks in der Ausstellung Rosa Immergruen, DG Kunstraum, 2023

Lyrische Zeitreise
in der Ausstellung
Rosa Immergruen

In der Ausstellung ‚Rosa Immergruen‘ werden Blumenmotive zum Spiegel unserer Gedanken und Gefühle. Die zeitgenössischen Werke in der Ausstellung werden von Gedichten aus unterschiedlichen Epochen begleitet, die zu einer lyrischen Zeitreise einladen. Die eingesprochenen Gedichte umgarnen das Gesehene akustisch und machen die Bandbreite menschlicher Beziehungen zur Blume über alle Zeiten hinweg offenkundig. Die Blume erscheint in diesem Zusammenhang wie ein leeres Gefäß, in das Alle, ob Kunstschaffende oder –betrachtende, eigene Interpretationen hineinfüllen können. 

Hier geht’s zur lyrischen Zeitreise

Autor*innen
Ingeborg Bachmann
Gottfried Benn
Inger Christensen
Hilde Domin
Nora Gomringer
Andreas Gryphius
Klára Hůrková
Barbara Köhler
Gertrud Kolmar
Christian Morgenstern
N.N.
Rainer Maria Rilke
Salomon
Sappho
Muhammad Schams ad-Din Hafis
Kurt Schwitters
Ludwig Steinherr
Walther von der Vogelweide
Johann Wolfgang von Goethe

Eingesprochen von
Franziska Ball
Martin Pfisterer

Vertont von
Makai Koepsel
2023

Abb.: Barbara Köhler, The Promised Rosegarden, 2006, © Nachlass Barbara Köhler, Deutsches Literaturarchiv Marbach, Courtesy: Galerie m, Ausstellungsansicht Rosa Immergruen, DG Kunstraum 2023, Foto: Gerald von Foris

Ausstellung
Martin Schepers
‚Im Lithium Dreieck – Wir verdunsten‘
31. März bis 11. Mai 2023

DE
Martin Schepers spannt in der Ausstellung ‚Im Lithiumdreieck – Wir verdunsten‘ einen Bogen zwischen dem Lithiumabbau in Chile und der Erforschung und Weiterverarbeitung dieses besonderen Rohstoffes in Deutschland. Seine künstlerischen Arbeiten reflektieren die technischen und ökologischen Prozesse und verknüpfen diese mit den Kulturtechniken des Erinnerns und Verdrängens in Deutschland und Chile.

Während in Chile am Fuße der Anden auf fußballfeldgroßen Flächen Grundwasser aus dem Erdreich an die Oberfläche gepumpt und zum Verdunsten gebracht wird, um Lithium abzubauen, tauchen im Kontrast dazu an unterschiedlichsten Stellen die landeseigenen Animitas auf. Diese Erinnerungsorte werden von Angehörigen errichtet, um der Verstorbenen auf sehr individuelle Art zu gedenken. Können Landschaften erinnern und vergessen, wie auch wir Menschen dies tun?

So wie in Chile Animitas für die Geister der Verstorbenen gebaut werden, geht es bei dieser Ausstellung darum, einem verdrängten Bewusstsein der Zusammenhänge von menschlichem Körper und Natur einen Raum zu geben. Die Ausstellung wird so selbst zu einer Animita des sogenannten Chtulucene Zeitalters. So nennt Donna Haraway in ihrem wegweisenden Essay ‚Staying with the Trouble‘ die Ära, in der wir lernen müssen, mit der beschädigten Erde zu leben und eine lebenswertere Zukunft zu gestalten.

Im Lithiumdreieck – Wir verdunsten‘ spiegelt die weltweit hoffnungsvollen Erwartungen einer auf wirtschaftliches Wachstum fokussierten Gesellschaft an die Lithiumgewinnung wider. Die Struktur der Abbauregionen im Norden von Chile in der Atacamawüste zeigt die Polarität dieser aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung ganz offensichtlich in den Formen der Landschaft. Während Deutschland und andere Industrienationen die Elektromobilität als ‚die‘ grüne Alternative zu herkömmlichen Autos erheben, verändert sich das ökologische Gleichgewicht in den Abbauregionen und hinterlässt gravierende Einschnitte im gesamten ökologischen Kreislauf.

Schepers beschäftigt sich in seiner Arbeit mit den Veränderungen und Verwerfungen von Landschaft und Gesellschaft, wobei Orte der Energieerzeugung einen besonderen Fokus bilden.

Gezeigt werden malerische, zeichnerische und installative Arbeiten, sowie Einwegkamera-Aufnahmen einer partizipativen Aktion, die in Kooperation mit dem chilenischen Anthropologen Mauricio Lara Martínez entstanden sind. Über das Verteilen dieser Kameras unter den Einwohnern und Forschenden können verschiedene Perspektiven in Chile und Deutschland in einem einzigartigen Archiv präsentiert werden.

Nach dem DG Kunstraum wandert die Ausstellung weiter zur Situation Kunst in Bochum. Zur Ausstellung erscheint eine Publikation im Kettler Verlag.

Programm
Eröffnung der Ausstellung, Do, 30. März 2023, 18 bis 21 Uhr

19.30 Uhr
Begrüßung
Sabine Straub, Mitglied des Vorstandes der DG Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst
Einführung
Benita Meißner, Geschäftsführerin und Kuratorin des DG Kunstraums


Im Gespräch
Martin Schepers und Mauricio Lara Martínez
Statement via Zoom von Ramón Balcázar Morales
PhD © in Rural Development & Co-Coordinator at OPSAL
Donnerstag, 20. April 2023, 19 Uhr

Spring & Walk
Samstag, 22. April 2023, 11 bis 18 Uhr

Buchvorstellung
Christian Uhle ‚Wozu das alles?‚
Donnerstag, 27. April 2023, 19 Uhr

Kuratorinnenführung
Dienstag, 2. Mai 2023, 19 Uhr

Finissage
‚El agua no se vende – das Wasser verkauft man nicht’
Buchvorstellung und Gespräch
Valeria Fahrenkrog, Eva-Christina Meier und
Martin Schepers
Moderation: Benita Meißner
Donnerstag, 11. Mai 2023, 19 Uhr

Mit freundlicher Unterstützung


Abbildungen: Ausstellungsansicht DG Kunstraum, Fotos: Jens Ziehe, Berlin


ES
Martin Schepers
En el triángulo del litio – Nos evaporamos

En la exposición “En el triángulo del litio – Nos evaporamos”, Martin Schepers abarca un arco entre la minería de litio en Chile y la exploración tal como el procesamiento posterior de esta materia prima tan especial en Alemania. Sus obras artísticas reflejan los procesos técnicos y ecológicos y los enlaza con las técnicas culturales de recuerdo y represión en Alemania y en Chile.

Mientras que, por un lado, en Chile, al pie de los Andes, se bombea agua subterránea de la tierra a la superficie en zonas del tamaño de un campo de fútbol y se hace evaporar para extraer litio, aparecen en contraste por el otro lado las animitas propias del país en lugares muy diversos. Estos lugares de recuerdo son erigidos por los familiares para conmemorar al difunto de forma muy individual. ¿Pueden los paisajes recordar y olvidar, como hacemos los humanos?

Al igual que en Chile se construyen animitas para los espíritus de los difuntos, esta exposición trata de dar espacio a una conciencia reprimida de las conexiones entre el cuerpo humano y la naturaleza. De este modo, la propia exposición se convierte en una animita de la llamada Era Chtulucena. Esto es lo que Donna Haraway llama en su innovador ensayo titulado ‚Staying with the Trouble‘ la era, en la que debemos aprender a vivir con la tierra deteriorada y crear un futuro más habitable.

En el triángulo del litio – Nos evaporamos” refleja las esperanzadoras expectativas globales de una sociedad centrada en el crecimiento económico de la minería de litio. La estructura de las regiones mineras del norte de Chile, en el desierto de Atacama, muestra la polaridad de este desarrollo económico actual de forma bastante evidente en las formas del paisaje. Mientras Alemania y otras naciones industrializadas elevan la movilidad eléctrica como la alternativa “verde” a los coches convencionales, el equilibrio ambiental en las regiones mineras está cambiando, dejando serios recortes en todo el ciclo ecológico.

En su trabajo, Schepers aborda los cambios y distorsiones del paisaje y la sociedad, con los lugares de producción de energía como punto focal.

Se exhiben pinturas, dibujos e instalaciones, así como grabaciones con cámaras desechables de una acción participativa, creadas en colaboración con el antropólogo chileno Mauricio Lara Martínez. Al distribuir estas cámaras entre residentes e investigadores, se pueden presentar diferentes perspectivas de Chile y Alemania en un archivo único.

Programa
Apertura de la exposición, jueves 30 de marzo de 2023, de 18 a 21 h

19:30 h
Bienvenida de la junta directiva de la DG (La Asosiación Alemana para arte Christiana)
Sabine Straub
Introducción
Benita Meissner, directora general y comisaria del espacio artístico DG Kunstraum

En conversación
Martin Schepers y Mauricio Lara Martínez
Comunicado vía Zoom de Ramón Balcázar Morales
PhD © en Desarrollo Rural & Co-Coordinador en OPSAL
jueves, 20 de abril de 2023 a las 19 h

Spring & Walk
Sábado 22 de abril de 2023 de 11 a 18 h

Presentación del libro
’Wozu das alles?‚
Christian Uhle
jueves, 27 de abril de 2023, 19 h

Recorrido guiado por la exposición
con la comisaria del espacio artístico DG Kunstraum
martes 2 de mayo de 2023 a las 19 h

Finalización con presentación del libro
’El agua no se vende se defiende’
Valeria Fahrenkrog, Eva-Christina Meier y
Martin Schepers
jueves, 11 de mayo de 2023 a las 19 h

Con apoyo amistoso


Imágenes: Vista de la exposición DG Kunstraum, fotos: Jens Ziehe, Berlín

Ausstellung
‚Kirche Raum Gegenwart’
DG Kunstraum München
20. Januar bis 16. März 2023

Künstler*innen denken Kirche neu

Kirchenräume stellen für Stadt und Gesellschaft wertvolle öffentliche Räume dar. Kirchen sind identitätsstiftend und oft ortsbildprägend. Sie stellen einen unglaublichen bauhistorischen und kulturellen Schatz dar. Die Pflege und Wahrung von Grundstücken, Pfarrhäusern und eben Kirchengebäuden wird angesichts einer abnehmenden Zahl an Kirchenmitgliedern zunehmend schwieriger. Die Kirche ist mit gesellschaftlichen Transformationsprozessen konfrontiert und steht nun durch innerkirchliche Themen selbst vor notwendigen Veränderungen.

Die Ausstellung widmet sich der Transformation von Kirchenräumen in Süddeutschland und nimmt Beispiele für konkrete Veränderungen und erweiterte Nutzungen in den Blick. In den Sommermonaten 2022 wurden ortsspezifische Projekte für vier Kirchengemeinden von jeweils einem Duo aus Kunstschaffenden oder Architekt*innen mit Bezugspersonen der Gemeinden vor Ort entwickelt. Es sind sehr unterschiedliche Ansätze, die jeder auf eigene Art und Weise dazu einladen über ‚aufgeschlossene Kirchenräume‘ nachzudenken – Kirchen, die liturgische Orte bleiben und sich gleichzeitig für Neues öffnen. Dabei steht eine nachhaltige Transformation der Räume im Zentrum, die sich nicht nur über architektonische Lösungen, sondern vor allem über inhaltliche Neubeschreibungen definiert.

Die Ergebnisse werden in Form von Renderings, Texten und Modellen in der Ausstellung vorgestellt. Darüber hinaus wird eine Auswahl von 14 bereits umgesetzten Transformationen von Kirchenräumen im süddeutschen Raum vorgestellt. Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog im jovis Verlag, der unter anderem im Rahmen der Gesprächsreihe ‚Kirche Raum Zukunft‘ präsentiert wird.

Mit Arbeiten der folgenden Duos
zu den ausgewählten Projektkirchen

Empfangshalle
,Wengenkirche‘ St. Michael, Ulm

Jutta Görlich und Peter Haimerl
Lätare Kirche, München-Neuperlach

Ludwig Hanisch und Karina Kueffner
St. Wendelin, Langenprozelten am Main

Ursula und Tom Kristen
‚Leutekirch‘ St. Martin, Leutkirch


Programm

Vernissage
Donnerstag, 19. Januar 2023, 18 bis 21 Uhr
im DG Kunstraum

19:30 Uhr
Begrüßung
mit Dr. Walter Zahner, 1. Vorsitzender der DG
sowie Dr. Alexander Heisig, Vertreter des Vorstands Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst

Einführung
Benita Meißner, Geschäftsführerin und Kuratorin des DG Kunstraums

Gesprächsreihe
‚Kirche Raum Zukunft‘

Finissage mit Katalogpräsentation
Donnerstag, 16. März 2023, 18 bis 20 Uhr
im DG Kunstraum

Im Anschluss wird ‚Kirche Raum Gegenwart‘ als Wanderausstellung an weiteren Orten gezeigt.

Eine Zusammenarbeit mit der DFG-Forschungsgruppe Sakralraumtransformation (TRANSARA).
In Kooperation mit dem Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V.

Ausstellungsansichten ‚Kirche Raum Gegenwart’
Fotos: Gerald von Foris

Künstler*innen denken Kirche neu
Videodokumentation Projektkirchen
Kirche Raum Gegenwart

Im Rahmen der Ausstellung ‚Kirche Raum Gegenwart‘ Anfang 2023 wurden in den Sommermonaten 2022 ortsspezifische Projekte für vier Kirchengemeinden von einem Gremium aus dem Vorstand der DG sowie der DFG-Forschungsgruppe Sakralraumtransformation Transara in Auftrag gegeben und von jeweils einem Duo aus Kunstschaffenden oder Architekt*innen mit Bezugspersonen der Gemeinden vor Ort entwickelt. 

Es sind sehr unterschiedliche Ansätze, die jeder auf eigene Art und Weise dazu einladen über ‚aufgeschlossene Kirchenräume‘ nachzudenken – Kirchen, die liturgische Orte bleiben und sich gleichzeitig für Neues öffnen. Dabei steht eine nachhaltige Transformation der Räume im Zentrum, die sich nicht nur über architektonische Lösungen, sondern vor allem über inhaltliche Neubeschreibungen definiert.

Die vier Projektkirchen

Empfangshalle
,Wengenkirche‘ St. Michael, Ulm

St. Michael zu den Wengen, auch Wengenkirche genannt, ist die einzige römisch-katholische Gemeindekirche in der Ulmer Altstadt. Ein erheb licher Teil der Kloster- und Kirchenanlage wurde während des Zweiten Weltkriegs zerstört. Der nüchtern ausgefallene Neubau wurde im 90°Grad- Winkel an den noch erhaltenen gotischen Westgiebel angebaut. Der Ausgangspunkt für das Künstlerduo ‚Empfangshalle‘ war das vorhandene Potenzial zu nutzen um den Kirchenkomplex mit Leben zu füllen und die Wahrnehmbarkeit des Kirchenbaus im Stadtraum zu erhöhen. Die Wengenkirche schließt an ein neu gebautes, hochpreisiges Areal an und liegt zentral zwischen Hauptbahnhof und Fußgängerzone. Soziale Einrichtungen oder Kindertageseinrichtungen wurden nicht eingeplant, diese werden aber unter anderem von der Kirche angeboten. Der Schwesternkonvent bietet einen Imbiss für Bedürftige an. Der Platz vor der Kirche ist ein Treffpunkt für Menschen, die an anderen Stellen der Stadt unerwünscht sind. Immer wieder sind dort auch Gruppen von Jugendlichen anzutreffen. Die ‚Empfangshalle‘ entwickelte ein Konzept, bei der die Kirche zu einer besonderen Art von zunächst körperlicher, aber auf einer weiteren Ebene geistiger und sozialer Fitness lädt: beim Lauftraining am Laufband können Pilgerrouten bereist werden. Per Videobildschirm ‚bewegt‘ man sich auf Pilgerwegen weltweit. Die Fitnessgeräte erzeugen dadurch Strom, der auf unterschiedlichen
‚Laufkonten‘ angespart und für soziale Zwecke eingesetzt wird. Das Pilgern im Fitnessstudio der Wengenkirche wird über eine LED-Anzeige auf dem Kirchturm ablesbar. Der Kirchturm wird so zur Leuchtskulptur. Um den Gemeindesaal unterhalb des Kirchenraums zu beleben wäre ein direkter Zugang von der Wengengasse von Vorteil. Das Künstlerduo schlägt vor, den Anbau der 1990er Jahre mit den Oberlichtern zu entfernen und die Räume über Sitzstufen und Treppen zur Straße hin zu öffnen. Der Gemeindesaal soll niederschwellige Angebote unterbreiten in Form von sportlichen Aktivitäten (z. B. in einem Boxring), die auch für die Sozialarbeit mit Jugendlichen attraktiv sind.

Jutta Görlich und Peter Haimerl
Lätare Kirche, München-Neuperlach

Die evangelische Lätare-Gemeinde wurde im Zuge des Baus der Satellitenstadt Neuperlach in den 1970er Jahren gegründet. In seinen Anfängen war Neuperlach durch den Zuzug vieler junger Familien geprägt. Heute sind 60% der Menschen ohne Religionszugehörigkeit, nur knapp 7 % sind evangelisch, die Hälfte der Gemeinde ist über 60 Jahre alt. Der demografische Wandel sowie die Krise der Kirchen setzen der Gemeinde zu. Jutta Görlich führte im Sommer 2022 mit Mitar- beiterinnen der Kirche Interviews, die zeigten, wie widerständig, leidenschaftlich und hoffnungs- voll diese sind. Neben der seelsorgerischen Arbeit stemmen sie ein kleines, aber attraktives Angebot: Gottesdienste, Kirchenkaffee und Outdoorkino, Konzerte, Lesungen, Tanz, Altenkreis, Grillabende, Posaunenchor und Gesang. Leider wissen noch zu wenige Neuperlacherinnen davon. Die Architektur des Ensembles wirkt zurückhaltend: Dunkel duckt sich das Pfarrzentrum in die höhere umgebende Wohnbebauung. Da ein Kirchturm von jeher fehlt, ist die Gemeinde im öffentlichen Raum kaum sichtbar. Jutta Görlich und Peter Haimerl treten dem Verlust der ästhetischen Ausdruckskraft des im Stil der 1970er-Jahre Funktionalismus gestalteten Neuperlacher Areal entgegen und stellen den drei Backsteinkuben des Kirchengeländes einen zeitgenössischen Kirchturm bei. An der etwa
25 Meter hohen, mit farbigen LEDs in Orange und Hellblau beleuchteten fragilen Stahlkonstruktion werben christliche Symbole für die kirchlichen Angebote. Diese Motive werden ergänzt durch Zeichen für rein weltliche Inhalte wie Kino, Musik und Kaffee. Im mittleren Bereich wirbt eine großformatige Leuchtschrift mit dem Schriftzug ‚Welcome to Fabulous Laetare Neuperlach‘. Seinen Abschluss findet der Turm in einem großen leuchtenden Stern, der – von Weitem sichtbar – auf das Kirchenareal verweist und von weiteren Symbolen flankiert wird: dem Zeichen für Unendlichkeit, ineinander verschlungenen Ehe-Ringen, einem Notenschlüssel, einem Fragezeichen und das @-Zeichen. Der neue Kirchturm macht auf humorvolle und populäre Weise die bisher im Verborgenen wirkende Gemeinde im Stadtraum Neuperlachs sichtbar. Er ist identitätsstiftend und spiegelt das reiche Angebot, aber auch das Selbstverständnis der Gemeinde als weltoffene, aktive und an Diversität begeisterte Gemeinschaft.

Ludwig Hanisch und Karina Kueffner
St. Wendelin, Langenprozelten am Main

Die katholische Pfarrkirche St. Wendelin wurde 1928 gebaut und ist seitdem Wahrzeichen und Mittelpunkt von Langenprozelten. Über die Jahre wurde das ursprüngliche Gestaltungskonzept des Raumes verändert und überlagert: der Bereich unter der großen Empore erscheint zu dunkel, der Raum mit den leeren Kirchenbänken zu groß. Es existiert ein diffuses Gefühl der Heimatlosigkeit in der Gemeinde, begründet durch einen fehlenden festen Pfarrer vor Ort, sowie eines nicht (mehr) aktiven Kirchenlebens mit einer generationenübergreifenden Gemeinschaft. Das Künstlerduo erarbeitete zwei Ansätze für eine Neuausrichtung von St. Wendelin: Der Blick richtet sich einmal auf mögliche (innen-)architektonische Veränderungen sowie auf einen Vorschlag für eine veränderte Außenwahrnehmung. Zwei Modelle der Kirche (Maßstab 1:100) vermitteln hierzu eine Vorstellung: Im Modell 1 sind die Bänke unter der Empore herausnehmbar. Mit dem künstlerischen Eingriff ‚Colour Stripes‘ wird eine Abtrennung installiert, die den hinteren Raum in zwei neue Bereiche aufteilt. Modell 2 geht einen Schritt weiter und zeigt einen einheitlichen weißen Anstrich des Innenraums; zudem sind einige kirchliche Gegenstände zu gunsten eines klaren Erscheinungsbildes herausgenommen worden. Der Raum erhält eine mobile Bestuhlung. St. Wendelin beherbergt eine nicht verifizierte Zahl an Engelsfiguren und ‑köpfen an den großen Haupt- und Seitenaltären, welche laut der Gemeinde immer wieder während des Kirchenbesuchs gezählt werden. Unter dem Titel #43Engel kann um St. Wendelin eine Art Stadt-Image aufgebaut werden, das der Kirche und Langenprozelten aus seiner un- gewollten Isoliertheit heraushilft. In Form eines Kulturangebotes können passende Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Themenpredigten angedacht werden. Unter #43Engel ist ebenso ein virtueller Fingerabdruck im Internet und in den sozialen Medien denkbar, der das Konzept der Offenheit, Transformation und Kommunikation verbreitet. Gestalterisch würde ein farbiger Neonlichtschriftzug im Eingangsbereich der Kirche auf die 43 Engel hinweisen.

Ursula und Tom Kristen
‚Leutekirch‘ St. Martin, Leutkirch

Seit 2015 beschäftigt sich die katholische Kirchengemeinde von Leutkirch im Rahmen des von der Diözese Rottenburg-Stuttgart angeregten Prozesses ‚Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten‘ mit der Frage, wie ihre Kirche zukünftig gestaltet werden soll. Geistliche Erneuerung, pastorale Ausrichtung und Profilierung sowie deren Umsetzung vor Ort waren und sind dabei die Schwer- punkte einer intensiven, ganzheitlichen Auseinandersetzung. Im Juni 2022 fand unter dem Titel ‚Gedanken-Sprung‘ eine Ideenwerkstatt mit Ursula und Tom Kristen sowie Vertreter*innen der Gemeinde statt. Anhand vorbereiteter Fragen galt es, den Blick zu schärfen, eigene Empfindungen zu ordnen und das ‚Bauchgefühl‘ in Worte zu fassen. Auf Basis der gemeinsam erarbeiteten Grundlage erstellten Ursula und Tom Kristen mögliche zukünftige Veränderungen in Form von virtuellen Bildern. Dabei wurden folgende Fragen berücksichtigt: Wie kann es gelingen, dem vorhandenen Ort seine Wertigkeit zurückzugeben? Wie viel Veränderung verträgt der Raum, wie viel Veränderung benötigt der Raum, damit das zentrale Erlebnis des Gottesdienstes wieder seinen Rahmen findet? Der Prozess zeigte auf, dass das von einigen Mitgliedern der Gemeinde gefühlte ‚Verlorensein‘ nicht am Kirchenraum selbst liegt, sondern am Sichtbarwerden der Leere durch die vielen freien Plätze in den Kirchenbänken und der gefühlten Distanz zu den liturgischen Orten. Deshalb erscheint das Ersetzen des historischen Gestühls durch eine flexibel einsetzbare Möblierung als zentrales Element einer Neuordnung. Der erstellte 3D-Raumplan zeigt, wie es möglich ist, die Gemeinde auf Augenhöhe vor oder um den Altar zu versammeln. Dem Wunsch nach einem kleinräumlicheren Zusatzangebot (Andachtsraum) kann nachgekommen werden, indem der Chorbereich bei Bedarf abgetrennt wird. Voraussetzung hierfür wäre ein weiterer Zugang. Eine Bereicherung der Kirchenraumnutzung durch Ausstellungen oder Konzerte wäre darüber hinaus ebenfalls denkbar. Die erarbeiteten analytischen Skizzen und animierten ‚Möglichkeitsräume‘ sollen eine Orientierungshilfe für die Kirchengemeinde sein, um ihre Wünsche und das Potenzial des Kirchenraums mit Laiengremien und Fachstellen fundiert zu diskutieren und Perspektiven zu formulieren.

Videos: Edward Beierle